Wird der Veräußerungsgewinn versteuert?
Die Zeit, in der Immobilien durch Erbfolge über Generationen in der Familie genutzt werden, ist vorbei. Heutige Erben sind mobil, flexibel oder wohnen schon längst in ihrem Eigenheim. Deshalb ist es vernünftig, das geerbte Elternhaus zu verkaufen. Dabei stellt sich allerdings die Frage nach den steuerlichen Folgen des Verkaufs. Darüber informiert dieser Beitrag.
Mit dem generischen Maskulinum in diesem Beitrag sind alle Geschlechter gemeint.
Ablauf der 10-Jahres-Frist, Fristbeginn
Günstig ist die Situation für den Erben, wenn die 10-Jahres-Frist verstrichen ist. Steuerpflichtig ist der Veräußerungsgewinn nämlich nur dann, wenn der Verkauf innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nach der Anschaffung erfolgt. Nach Ablauf dieser Frist wird ein Gewinn nicht besteuert.
Im Fall der Erbschaft beginnt diese Frist nicht etwa im Zeitpunkt des Erbfalls. Der Erbe „tritt in die Fußstapfen des Erblassers“. Deshalb kommt es darauf an, wann er die Immobilie angeschafft hat. Liegt dieser Zeitpunkt mehr als zehn Jahre zurück, ist ein zeitnaher Verkauf möglich, ohne dass ein Gewinn versteuert werden müsste.
Zehnjahresfrist nicht abgelaufen
Falls die Zehnjahresfrist seit der Anschaffung durch den Erblasser im Erbfall noch nicht abgelaufen ist, kommt es darauf an, ob der Erblasser die Immobilie in den letzten drei Jahren (dazu das folgende Beispiel) vor seinem Tod selbst bewohnt oder ob er sie vermietet hatte.
Hatte der Erblasser die Immobilie in dem fraglichen Zeitraum selbst bewohnt, kann der Erbe sie steuerfrei veräußern.
Beispiel:
Der Erblasser erwirbt im Jahr 2014 eine fremd vermietete Eigentumswohnung. Am 1. Dezember 2019 zieht er in die freigewordene Wohnung ein und nutzt sie bis zu seinem Tod am 10. Januar 2021. Der Erbe kann in diesem Fall die Wohnung steuerfrei veräußern. Der 3-Jahres-Zeitraum ist erfüllt, wenn die Wohnung im vorletzten Jahr vor dem Erbfall teilweise, im Jahr vor dem Erbfall durchgehend und im Jahr des Erbfalls wieder teilweise selbst genutzt worden ist (31.12. – ganzes Jahr – 01.01.).
Hatte der Erblasser die Wohnung aber vor seinem Tod nicht selbst bewohnt, jedenfalls nicht im Todesjahr und den beiden vorangegangenen Jahren, würde bei einem Verkauf der Immobilie über dem Anschaffungswert der Veräußerungsgewinn besteuert werden.
Beispiel:
Der Vater hat am 1. August 2011 eine Immobilie für 400.000 € erworben und anschließend vermietet. Er stirbt am 1. Juni 2020. Seine Tochter, die Alleinerbin, verkauft die Immobilie am 1. Februar 2021 für 500.000 €. Da im Zeitpunkt des Verkaufs die Zehnjahresfrist noch nicht abgelaufen ist, muss sie den Veräußerungsgewinn i.H.v. 100.000 € im Rahmen der Einkommensteuererklärung versteuern.
Vermeidung der Besteuerung bei Verkauf vor Fristablauf
Will der Erbe die 10-Jahres-Frist bis zu einem Verkauf nicht abwarten, hat er (nur) die Möglichkeit, die Voraussetzung der eigenen Nutzung zu Wohnzwecken zu schaffen. Wenn sich seine Nutzung (gegebenenfalls zusammen mit der vorherigen Nutzung durch den Erblasser) zu eigenen Wohnzwecken auf das Veräußerungsjahr und die beiden vorangegangenen Jahre erstreckt, ist ein steuerfreier Verkauf möglich.
Es genügt dabei, wenn der Erbe die Immobilie im Jahr des Verkaufs zumindest am 1. Januar, im Vorjahr des Verkaufs durchgehend sowie im zweiten Jahr des Verkaufs mindestens am 31. Dezember zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Die Nutzung des Erblassers zu eigenen Wohnzwecken ist dabei berücksichtigt.
Beispiel:
Der Erblasser zieht am 1. Dezember 2019 in die Wohnung ein und stirbt im Mai 2020. Der Erbe setzt dann die Wohnnutzung bis zum 1. Januar 2021 fort. Der steuerfreie Verkauf ist möglich.
Was bedeutet „eigene Wohnzwecke“?
Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken erfordert nicht ein durchgängiges Bewohnen. Eine lediglich zeitweilige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken reicht aus, wenn dem Eigentümer in der übrigen Zeit die Wohnung zur Verfügung steht – er sie also nicht vermietet. Deshalb wird auch eine Zweitwohnung oder eine Wohnung, die im Rahmen der doppelten Haushaltsführung genutzt wird, zu eigenen Wohnzwecken genutzt.
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt selbst dann vor, wenn der Eigentümer einem Kind unentgeltlich zu Wohnzwecken überlässt, solange er Anspruch auf den Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld hat.