Erfolg ist kein Zufallsprodukt,
sondern das Ergebnis geplanter Arbeit

Gartenpflege bei einer WEG

Der Sachverhalt:

In einem Mehrparteienhaus besteht eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Diese besteht aus elf Wohnungseigentümern, wovon drei Beiräte im Verwaltungsbeirat der Wohnungseigentümergemeinschaft sind. Die Eigentumswohnanlage wird durch eine Hausverwaltungsfirma verwaltet. Das Problem der Gartenpflege im Vorgarten soll ein für alle Mal geklärt werden.

Gemeinschaftseigentum und Gartenpflege - wer ist zuständig?

Im Vorgarten des Mehrparteienhauses wuchert das Unkraut, weil niemand für die Pflege des Gartens zuständig ist. Früher pflegten die Eigentümer der Parterre-Wohnung stets den Garten, doch, weil diese nun alt und gebrechlich sind, ist dies nicht mehr möglich. Der Garten steht im Gemeinschaftseigentum der WEG, allerdings hat niemand ein Sondernutzungsrecht, sodass sich keiner um den Garten kümmert.

Bei der Mitgliederversammlung im März erklärt Herr M sich bereit, der auch dem Beirat der WEG angehört, die Gartenpflege zukünftig zu übernehmen.

Die Gemeinschaft beschließt mehrheitlich die Urbarmachung des Gartenteils und gibt dafür der Hausverwaltung in Abstimmung und Freigabe des Beirates einen Betrag von max. EUR 3.000 frei.

Des Weiteren wird in das Protokoll der Versammlung aufgenommen, dass Herr M die Aufgabe des „Kümmerers“ übernimmt. Die Pflege und Herrichtung auf Kosten der Gemeinschaft wird mit Hilfe der übrigen Bewohner geschehen.

Herr M teilt der Gemeinschaft von vornherein mit, dass er im Mai verhindert sei, aber dafür im Juni beginnen würde, das hohe Unkraut zu beseitigen und ein paar Blumen- und Strauchbeete anzulegen.

Allerdings vernachlässigt er die Gartenpflege in den folgenden Monaten, obwohl er schon von Nachbarn und anderen Eigentümern darauf angesprochen wird. Er versichert zwar, dass er bald anfangen würde, aber letztlich geschieht im Garten nichts. Das Unkraut wächst immer höher, sodass letztlich auf Kosten der WEG ein Gärtner beauftragt werden muss, um das unansehnliche Unkraut zu entfernen.

Die Wohnungseigentümer sind mit der Situation unzufrieden.

Der Verwaltungsbeirat G spricht den Verwalter Herrn V darauf an, dass im Garten etwas geschehen soll. Die anderen Beiräte beziehen in dieser Angelegenheit keine Position. Daraufhin holt Herr V bei verschiedenen Gärtnern Angebote ein. Nach Vorlage dieser Angebote erklären der in Rede stehende Herr M – Mitglied des Verwaltungsbeirates und „Kümmerer“ des Vorgartens - und das andere Mitglied des Verwaltungsbeirats, dass die Hinzuziehung eines Gärtners zu hohe Kosten für die WEG mit sich bringen würde. Herr M beteuert ein weiteres Mal, sich zukünftig um den Garten zu kümmern.

Der Verwaltungsbeirat G wiederspricht dem Ansinnen des Herrn M mit dem Argument, dass Herr M den Garten in den letzten Monaten vernachlässigt habe und er sich nicht vorstellen könne, wieso Herr M in Zukunft anders handeln sollte.

Fragen:

Was kann die WEG bzw. der Verwalter hier tun?

  1. Kann Herrn M die Gartenpflege entzogen werden?
  2. Welche Abstimmungsmodalitäten sind als Voraussetzung hierfür zu beachten?

Gehen wir den Fall einmal durch:

I. Eigentümerversammlung

Es hat im März 2018 eine beschlussfähige Eigentümerversammlung stattgefunden, in welcher Herr M sich bereit erklärte, die Aufgabe des „Kümmerer“ hinsichtlich des Vorgartens zu übernehmen. Die Wohnungseigentümer hatten nichts dagegen, dass der Wohnungseigentümer M die Aufgabe des „Kümmerers“ für den Vorgarten übernimmt.

Der hier in Rede stehende Vorgarten befindet sich im Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft. Das bedeutet, dass der Garten jedem Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch zur Verfügung steht, solange kein Sondernutzungsrecht (siehe Alternative unten) eingeräumt wurde.

1. Eigentümerversammlung

Es müsste eine Eigentümerversammlung vorangegangen sein. Dies ist im vorliegenden Fall im März 2018 geschehen. Zu dieser wurde auch ordnungsgemäß geladen.

2. Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung

Diese Eigentümerversammlung muss beschlussfähig gewesen sein.

Ein Beschluss bringt die Willensbildung der Wohnungseigentümer zum Ausdruck. Die Stimmabgabe und die Abstimmung der Wohnungseigentümer finden vor der Beschlussfassung statt. Nach dem sogenannten Kopfprinzip gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 WEG (welches jedoch abdingbar ist) hat jeder Eigentümer unabhängig von der Größe oder der Anzahl der Eigentumseinheiten, eine Stimme.

Gemäß § 25 Abs. 2 WEG ist die Wohnungseigentümerversammlung beschlussfähig, wenn die erschienenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile, berechnet nach der im Grundbuch eingetragenen Größe dieser Anteile, vertreten. Auch dies ist im vorliegenden Fall gegeben.

Die Eigentümerversammlung war somit beschlussfähig und es müsste hinsichtlich der Regelung zur Gartengestaltung und der Zuständigkeit der Gartenpflege ein Beschluss ergangen sein.

Es erging jedoch nur ein Mehrheitsbeschluss hinsichtlich der Bereitstellung eines Betrages durch die Wohnungseigentümergemeinschaft für die Bepflanzung des Gartens.

Die Frage des „Kümmerers“ hat die Wohnungseigentümergemeinschaft in der Eigentümerversammlung im März 2018 wie folgt beantwortet:

Dem Wohnungseigentümer Herrn M wird die Tätigkeit des „Kümmerers“ zugesprochen und übertragen.

Anstelle der Beschlussfassung erfolgte auch keine Vereinbarung zwischen den Wohnungseigentümern, in der man diese Frage hätte auch regeln können.

Exkurs:

Worin bestehen die unterschiedlichen Auswirkungen einer Vereinbarung bzw. eines Beschlusses?

Beschluss und Vereinbarung haben unterschiedliche Rechtsnaturen.

Ein Beschluss wird durch einen Mehrheitsbeschluss hervorgebracht, bei welcher nicht alle Wahlberechtigten der betreffenden Angelegenheit - hier der der Übernahme der Gartenpflege durch Herrn M als Kümmerer - zustimmen müssen. Trotzdem werden durch den Beschluss alle Wohnungseigentümer gebunden (auch diejenigen, die sich der Abstimmung enthalten haben oder nicht anwesend waren). Die Wirkung eines Beschlusses kann nur durch einen entsprechenden gegenteiligen Mehrheitsbeschluss aufgehoben werden oder auf dem gerichtlichen Wege durch Anfechtung des Beschlusses durch einen oder mehrere Wohnungseigentümer.

Eine Vereinbarung unterscheidet sich vom Beschluss dadurch, dass sie nur mit dem Einverständnis aller Wohnungseigentümer aufgehoben oder verändert werden kann, da es sich im Rechtssinne um einen Vertrag zwischen den Wohnungseigentümern handelt.

Im vorliegenden Fall wurde weder ein Beschluss durch Stimmabgabe noch eine Vereinbarung getroffen. Herr M erklärte sich lediglich bereit, die Gartenpflege zu übernehmen und die anderen Wohnungseigentümer stimmten seiner angebotenen Tätigkeit zu.

II. Anfechtung dieses Arrangements

Die Anfechtung eines ergangenen Beschluss ist nur innerhalb eines Monats ab Beschlussfassung möglich. Wenn ein Beschluss unter Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen zustande gekommen ist, ist dieser nicht ungültig, sondern nur anfechtbar. Er gilt bis zur gerichtlichen Entscheidung nach § 23 Abs. 4, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG als gültig.

Da im vorliegenden Fall allerdings kein anfechtbarer Beschluss vorliegt, ist eine Anfechtung von vornherein nicht möglich.

III. Gegenteiliger Beschluss

Da hier weder ein Beschluss noch eine Vereinbarung vorliegt, kann Herrn M seine Tätigkeit als „Kümmerer“ bei der nächsten Eigentümerversammlung auf einfachem Wege abgesprochen werden. Da die im vorliegenden Fall getroffene Art der Übernahme der Tätigkeit als „Kümmerer“ nicht besonders vorteilhaft ist, wird daher im folgenden Teil ein inhaltlich gegenteiliger Beschluss bei der nächsten Eigentümerversammlung erwirkt werden.

Es könnte allerdings ein Beschluss gefasst werden, durch welchen Herr M, nicht mehr die Gartenpflege übernehmen darf und ein Gärtner engagiert wird. Dieser Beschluss müsste durch eine weitere Eigentümerversammlung ergehen. Im vorliegenden Fall kann auf die nächste Eigentümerversammlung im März 2019 abgewartet werden oder es kann eine außerordentliche Versammlung durch den Verwalter Herrn V einberufen werden.

IV. Einberufung einer außerordentlichen Versammlung

Der Verwalter Herr V müsste eine außerordentliche Versammlung einberufen, in welcher ein inhaltlich gegenteiliger Beschluss gefasst wird.  

1. Berechtigung

Grundsätzlich ist nur der Verwalter nach § 24 WEG dazu berechtigt, eine Versammlung einzuberufen. Sollte er sich weigern oder ist kein Verwalter gegeben, kann auch einer der Beiräte eine Versammlung einberufen.

2. Einberufung

Die Versammlung sollte nach § 24 Abs. 4 WEG, sofern ein Verwalter vorhanden ist, von diesem zwei Wochen vor dem Termin schriftlich einberufen werden.

3. Beschlussfassung

Bei der Beschlussfassung ist der § 25 WEG zu beachten.

Zudem muss hier im Interesse der Handlungsfähigkeit der WEG das Prinzip der Einstimmigkeit durch das Mehrstimmigkeitsprinzip abgeschwächt werden. Dies hat den Grund, dass bei einer Entscheidung nicht die Gegenstimme eines Wohnungseigentümers die Entscheidung der WEG hindern soll und die Entscheidungsfähigkeit so abgeschwächt werden soll. Bei einer WEG mit elf Wohnungseigentümern könnte im Falle eines Einstimmigkeitsprinzips oft eine Entscheidung nicht getroffen werden.

  • Stimmrecht

Nach § 25 Abs. 2 WEG ist der Wohnungseigentümer grundsätzlich der Träger des Stimmrechts.

  • Beschlussfähigkeit

Nach diesem ist die Versammlung nur beschlussfähig, wenn die erschienen stimmberechtigten Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten (§ 25 Abs. 3 WEG). Dies ist im vorliegenden Fall zu unterstellen.

  • Stimmmehrheit

Bei der Frage nach den Abstimmungsmodalitäten, ob die einfache oder qualifizierte Stimmmehrheit gefordert werden kann, genügt ein Blick auf die Überschrift des § 25 WEG. Diese schreibt einen „Mehrheitsbeschluss“ gemäß § 10 Abs. 5 WEG vor, bei welchem die Mehrheit der Wohnungseigentümer sich für die in Frage stehende Angelegenheit aussprechen muss.

  • Art und Weise der Abstimmung

Gesetzlich ist eine festgeschriebene Art und Weise der Abstimmung nicht niedergeschrieben, sodass daraus abgeleitet werden kann, dass diese Modalität wählbar ist. Zur Wahl stehen die Möglichkeiten der mündlichen, namentlichen oder geheimen Abstimmung. Je nach Wahl der Eigentümer wird die festgelegte Art der Abstimmung in der Versammlung angewendet.

  • Stimmenthaltung

Der BGH entschied in einer Grundsatzentscheidung, dass es bei der Ermittlung der erforderlichen Mehrheit allein auf die abgegebenen Ja- und Nein- Stimmen ankommt und die Enthaltungen nicht einzurechnen seien.

  • Stimmverbot

Da Herr M im vorliegenden Fall Wohnungseigentümer und gleichzeitig Betroffener des ergehenden Beschlusses ist, gilt für ihn das Verbot der Stimmrechtsausübung. Im Zweifel ist der Beschluss wirksam, wenn sich die bestreffende Stimme eines nicht stimmberechtigten Miteigentümers nicht auf das Beschlussergebnis auswirkt.

V. Ergebnis

Es kann durch die außerordentliche Versammlung oder auch durch die nächste ordentliche Versammlung im März 2019 ein Beschluss herbeigeführt werden, durch welche sich Herr M nicht mehr um den Vorgarten kümmern soll. Andererseits muss wie erwähnt kein Beschluss ergehen, sondern es reicht im vorliegenden Fall, dass sich die Gemeinschaft von der Klausel im Protokoll löst. In Zukunft kann der Vorgarten entweder von jedem genutzt werden, es wird ein anderer „Kümmerer“ durch Beschluss eingesetzt oder ein Wohnungseigentümer erhält ein Sondernutzungsrecht.

Alternative

  • Wie ist das Verfahren, wenn einem Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht eingeräumt wird?
  • Wie kann ihm dieses entzogen werden?

I. Entstehen eines Sondernutzungsrechts

Einem Wohnungseigentümer wird ein Sondernutzungsrecht in der Eigentümerversammlung zugesprochen. Dies kann im vorliegenden Fall entweder der verhinderte „Kümmerer“ oder ein anderer Wohnungseigentümer sein.

Exkurs: Was ist ein Sondernutzungsrecht?

Ein eingeräumtes Sondernutzungsrecht eines Wohnungseigentümers ist ein ausschließliches Nutzungs- und Gebrauchsrecht an gemeinschaftlichen Flächen, Räumen, Anlagen und Einrichtungen. Nach § 13 Abs. 2 S. 1 WEG werden, sobald ein Eigentümer ein Sondernutzungsrecht zugesprochen bekommen hat, die anderen Eigentümer von der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen. Dies gilt allerdings nicht für alle gemeinschaftlichen Anlagen, sondern nur für diejenigen, für welche der berechtigte Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht hat.

1. Form

Falls es nicht zu einer Eintragung des Sondernutzungsrechts ins Grundbuch kommt, handelt es sich nur um eine schuldrechtliche Vereinbarung, die bei Eintritt eines neuen Eigentümers in die Gemeinschaft erlischt. Durch die Eintragung des Sondernutzungsrechts in das Grundbuch wird das Recht zum Inhalt des Sondereigentums und wird somit verdinglicht. Somit entfaltet es auch bei einem möglichen Eigentümerwechsel Rechtswirkung.

Die Eintragung ins Grundbuch erfordert die Vereinbarung aller Wohnungseigentümer. Anschließend folgt die Einigung und Eintragung ins Grundbuch,  welche mit nicht unerheblichen Kosten (Gerichtskosten und Notarkosten, welche von der Wohnungseigentümergemeinschaft zu tragen sind) verbunden ist.

2. Inhalt des Sondernutzungsrechts

Der Inhalt des Sondernutzungsrechts muss hinreichend bestimmt sein. Übertragen auf den Fall des Vorgartens bedeutet dies, dass zwischen den Wohnungseigentümern abgesprochen werden muss, ob z.B. Bäume gepflanzt werden dürfen, da diese später den Bewohnern zu dem Vorgarten unter Umständen die Sicht versperren können. Auch die Art der Gartenpflege muss geregelt werden z. B. wie oft der Rasen gemäht werden soll und das Unkraut zu jäten ist. Möchte der Sondernutzungsberechtigt bauliche Anlagen aufstellen wie z.B. ein Gartenhäuschen, muss auch dies im Vorhinein mit der Gemeinschaft abgesprochen werden.

Daher sollte in der Eigentümerversammlung eine entsprechende Formulierung zur Gartenpflege getroffen werden, an welcher sich der Sondernutzungsberechtigte orientieren muss oder aber eine solche Vereinbarung sollte die Wohnungseigentümergemeinschaft durch einen Rechtsanwalt oder Notar aufsetzen lassen.

3. Abstimmungsmodalität

Beim Sondernutzungsrecht handelt es sich um eine gesetzesändernde Vereinbarung, die eine positive und eine negative Komponente beinhaltet. Der betreffende Wohnungseigentümer hat die alleinigen Nutzungsrechte zum Vorgarten und die anderen Wohnungseigentümer werden von ihrem Mitgebrauchsecht vom Vorgarten ausgeschlossen.

Daher ist ein Mehrheitsbeschluss hier nicht möglich, sondern die Übertragung des Sondernutzungsrechts ist nur nach Vereinbarung möglich, durch welche jeder Wohnungseigentümer zustimmt.

4. Ergebnis

Somit kann die hier aufgeworfene Frage auch unter Beachtung der obenstehenden Modalitäten mittels eines Sondernutzungsrechtes geregelt werden.

II. Aufhebung des Sondernutzungsrechts

Wenn die betreffenden Person der Wohnungseigentümergemeinschaft, für welche das Sondernutzungsrecht eingetragen ist, sich nicht an das Sondernutzungsrecht hält bzw. dem entsprechend verfährt, kann ihr dieses Recht wieder entzogen werden. Hier ist wieder die Einigung aller Wohnungseigentümer nötig. Grundbuchrechtlich ist für die Löschung des Sondernutzungsrechtes die Bewilligung des Sondernutzungsberechtigten von Nöten.