Erfolg ist kein Zufallsprodukt,
sondern das Ergebnis geplanter Arbeit

Der gemeinschaftliche Nießbrauch zwingt Eheleute auch nach der Scheidung zur lebenslangen Gemeinschaft

Gesamt oder Bruchteil - auf die Berechtigung kommt es an

Die Eheleute sind zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks, das mit vermieteten Gebäuden bebaut war. Dieses Grundstück übertragen sie im Jahr 1995 auf ihre Kinder, wobei sie sich einen unentgeltlichen lebzeitigen Nießbrauch vorbehalten. Nach der notariellen Vereinbarung steht der Nießbrauch den Übergebern gemeinschaftlich „als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB“ zu, im Falle des Todes eines Ehegatten dem Überlebenden unverändert alleine, und erlischt mit dem Tod des zuletzt versterbenden Partners.

Die hier vereinbarte Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB (Gesamtberechtigung) bedeutet, dass jeder Berechtigte die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal bewirken muss. Mit anderen Worten: Der Schuldner kann wählen, an welchen der Gläubiger er zahlt. Er kann die volle Schuld an den einen oder an den anderen Gläubiger bezahlen, aber auch die volle Schuld in Bruchteilen an beide Gläubiger. Eine gesetzliche Regelung ob und wie eine solche Gemeinschaft aufgehoben werden kann, gibt es nicht.

Bei einer Mitgläubigerschaft nach § 420 BGB (Bruchteilsberechtigung) hingegen steht den mehreren Berechtigten ein bestimmter Anteil an der Leistung zu, etwa je fünfzig Prozent bei zwei Gemeinschaftern. In diesem Fall muss der Schuldner an jeden Gläubiger den Teil bezahlen, der gerade diesem Gläubiger zusteht, also an jeden Gemeinschafter die Hälfte der gesamten Schuld. Bei der Gemeinschaft von Bruchteilsgläubigern kann jeder Gemeinschafter jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen und erzwingen, § 749 BGB.

Scheidung - und nun?

Nach der Übergabe fällt der Kitt weg, der die Eheleute zusammengehalten hat. Sie lassen sich scheiden. Allerdings sind sie über den gemeinschaftlichen Nießbrauch nach wie vor miteinander verbunden, müssen sich auch nach der Scheidung gemeinschaftlich um die Verwaltung der Immobilie kümmern und gemeinschaftlich die Einnahmen entgegennehmen und verteilen. Das will der Ex-Ehemann nicht mehr mitmachen und den gemeinschaftlichen Nießbrauch beenden. Eine gütliche Vereinbarung ist nicht möglich, weil die geschiedene Ehefrau jedes vernünftige finanzielle Angebot des früheren Ehemannes ablehnt und selbst kein Interesse daran hat, dessen Anteil gegen Zahlung zu erwerben. Der Ehemann klagt deshalb gegen die Ehefrau auf Auflösung der Gemeinschaft. Sie soll erfolgen, indem der Nießbrauch unter den Beteiligten zwangsversteigert wird.

Ehe geschieden- und trotzdem weiter gemeinsam berechtigt und verpflichtet

Die Vorinstanzen (Landgericht Schweinfurt, Oberlandesgericht Bamberg) bestätigen den Aufhebungsanspruch des geschiedenen Ehemannes gegen seine totalverweigernde Ex-Ehefrau. Wenn sogar die durch Miteigentum an einem Hausgrundstück begründete Gemeinschaft durch Zwangsversteigerung aufgehoben werden könne, so müsse dies erst recht für das gemeinschaftliche Nutzungsrecht gelten.

Der Bundesgerichtshof sieht, nach gründlichster Prüfung, die Sache letztinstanzlich doch anders. Sehr zur Überraschung des Ehemannes sind die Regelungen über die Auflösung der Miteigentümerschaft auf den gemeinschaftlichen Nießbrauch in Form der Gesamtberechtigung nicht anzuwenden.

Auch eine analoge (also: sinngemäße) Anwendung der Regeln zur Aufhebung einer Gemeinschaft verwerfen die Richter. Die Aufhebung der Gemeinschaft widerspräche, so der Bundesgerichtshof, dem Sinn und Zweck der getroffenen Vereinbarung, einem lebenslangen Nießbrauch für beide Parteien. Die Eheleute hätten sich mit der Regelung eine lebzeitige wirtschaftliche Absicherung schaffen wollen. Diese sollte gerade nicht durch einen Anspruch auf einseitige Auflösung vorzeitig beendet werden.

Frühzeitig Regelungen schaffen und gemeinsam vorsorgen

Der Ehegatten-Nießbrauch in Gesamtberechtigung (nicht, wie in Besprechungen oft fälschlich bezeichnet, in „Gesamthandsberechtigung“ - die gibt es nur bei Erbengemeinschaft, Personengesellschaften und Gütergemeinschaften) begründet nach dem letztinstanzlichen und verbindlichen Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 06.03.2020, Aktenzeichen V ZR 329/18) eine lebenslange unauflösliche Gemeinschaft – „bis dass der Tod Euch scheidet“.

Wollen Eheleute nicht lebenslang – über die Scheidung hinaus – zwangsweise durch den gemeinschaftlichen Nießbrauch verbunden bleiben, müssen sie sich dieser möglichen Folge bewusst sein und schon im Übergabevertrag mit einer entsprechenden Regelung Vorsorge treffen.

Die ist möglich etwa in der Form, dass eine Gemeinschaft nach Bruchteilen vereinbart wird statt einer Gesamtberechtigungsgemeinschaft. Im Gegensatz zur Gesamtberechtigung kann bei einer Bruchteilsgemeinschaft jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, § 749 BGB.

Denkbar sind aber auch Regelungen, wonach die Auflösung ausdrücklich gestattet wird, etwa durch Übernahmerechte gegen Abfindung oder durch die Teilungszwangsversteigerung.

Jeder Fall ist individuell - eine Beratung daher unabdingbar!

Immobilien-Übergabeverträge sind nie Routine, sondern müssen für jeden einzelnen Fall überdacht und individuell konzipiert werden. Zu den Überlegungen gehört unter anderem das Alter der Eltern, ein etwaiger Altersunterschied, die Versorgungssituation der Eltern und der Kinder, der Ertrag, die steuerlichen Folgen, aber eben auch das mögliche Scheitern der Ehe der Übergeber und deren Wiederverheiratung, aber auch Alternativen zum Nießbrauch wie z.B. eine Leibrente.

Deshalb ist die Beratung und Konzeption eine Sache für absolute Spezialisten, die sich nicht damit begnügen, das immer gleiche Formular aus der Schublade zu ziehen und die Ratsuchenden damit sozusagen in ein Prokrustesbett (ist die Person zu lang, wird sie gestreckt, ist sie zu kurz, werden die Beine abgehackt) zu stecken. Der Übergabevertrag mit all seinen Regelungen und Komponenten ist ein Maßanzug, wenn er vom perfekten Spezialisten entworfen wird. Dann hält er auch lebenslang, was er verspricht – und ist seinen „Preis wert“. Daran hätte der unglückliche Ehemann in diesem Fall vorher denken müssen.